Walter Raum

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Walter Raum (* 2. Dezember 1923 in Hersbruck; † 19. August 2009 in Achmühle) war ein deutscher Maler, und charakteristischer Vertreter deutscher Nachkriegskunst.

Raum wurde 1923 als mittleres Kind von Michael Raum und Kunigunde Raum in der Kleinstadt Hersbruck in Mittelfranken geboren. Die Eltern unterhielten vor Ort einen Malerhandwerksbetrieb. Nach der Volksschule absolvierte Raum von 1938 bis 1941 eine Lehre als Dekorationsmaler und übernahm nach dem Tod des Vaters im Frühjahr 1941 das elterliche Geschäft.

In November 1941 wurde der 17-Jährige zum Kriegsdienst eingezogen. Zuerst bei der Luftwaffe zur Sicherung von Flughäfen im besetzten Frankreich eingesetzt, kam er gegen Ende 1944 als Unteroffizier der Infanterie in den Heeresdienst an der Westfront. Im April 1945 im Spessart durch MG-Beschuss verwundet, wurde er von Bauern versorgt und blieb als Hilfe auf deren Hof über das Kriegsende hinaus – bis zum Sommer 1945. Sein Bruder Johannes fiel im April 1945. Die Erfahrung von Tod, Todesangst und Ohnmacht des Soldaten, der Kriegsmaschinerie ausgeliefert und schwer verwundet, prägte sein künstlerisches Werk.

Nach dem Krieg begann Raum das Studium der Malerei. Zunächst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Hermann Wilhelm 1946–51, anschließend an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei Walter Becker 1951–52 und an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Xaver Fuhr 1952–54[1].

Ab 1954 war Raum in München als freischaffender Maler tätig. Erst in einem Atelier in der Hohenwaldeckstraße, ab 1956 in der Wilhelmstraße. Die Teilnahme an der 29. Biennale in Venedig 1958, der 1. Biennale de Paris 1959, der 21. International Watercolor Biennale in New York 1960 und die folgenden Einladungen zu Ausstellungen der Nachkriegsavantgarde, bedeuteten dem jungen Maler signifikante Anerkennung und Bestätigung seiner künstlerischen Position.

1963 heiratete Raum Christine Maier-Leibnitz. 1965 kaufte das Paar ein Haus unweit des Starnberger Sees in Achmühle, im oberbayerischen Loisachtal, das bis zum Lebensende des Künstlers als Wohnung und Atelier diente. 1967 wurde Sohn Tobias geboren. Um als Vater außerhalb des Ateliers auf künstlerische Arbeit nicht zu verzichten, begann Raum intensiv zu zeichnen. Zunächst ein Hilfsmittel, später als bewusst gewähltes Medium wurde die Zeichnung substanziell für das Gesamtwerk.

Ein zweijähriger Lehrauftrag für Kunsterziehung an der Universität München markierte die Jahre 1973–75.

In den darauffolgenden drei Jahrzehnten entstand in der Abgeschiedenheit des Ateliers ein umfangreiches Werk mittel- und großformatiger Bilder.

Im Mai 2008 erkrankte der 84-jährige Maler schwer. Ein Jahr später starb Raum in seinem Haus in Achmühle.

Für Raum war Malerei Weltaneignung, sie diente der Erkenntnis und der Erkundung der Sinnhaftigkeit menschlicher Existenz. Sie war seine Selbstbehauptung angesichts eines von Skepsis geprägten Weltbildes[2]. Diesem liegen maßgeblich seine leidvollen Erfahrungen im Krieg und die intensive Beschäftigung mit der Philosophie des Existentialismus zugrunde. Empfundene Ohnmacht ist bei Raum sowohl im real historischen wie auch im metaphysischen Kontext zu verstehen. Dem Gefühl der Nichtigkeit des Menschen, als in die Welt geworfenes Wesen, kann nur die gestalterische, formende Kraft entgegenwirken – die künstlerische Formulierung als Behauptung des Malers.[3]

Farb- und Materialwahl sowie Formensprache im Werk von Raum sind konsequenter Ausdruck lebenslanger Auseinandersetzung mit existentiellen Themen. So ist es auch zu verstehen, dass Bildfindungen der späten fünfziger Jahre immer wieder neu formuliert wurden und eine dem künstlerischen Gesamtwerk immanente Logik ergeben.

Die erste Werkphase Raums wurde stark vom Informel geprägt, die Malerei ist gegenstandslos, gestisch-expressiv. Die frühen Erfolge – wie die Teilnahme an der Biennale in Venedig 1958 – bewirkten, dass seine sichere informelle Handschrift mit neuen Ausdrucksformen bereichert wurde, um sein künstlerisches Anliegen noch authentischer zeigen zu können.[4] So wurde die Malerei objekthafter. Materialbilder mit pastosem Farbauftrag, erdigen Tönen, Sand und Textil zeigen rätselhafte Landschaften.

Ab 1965 verweisen experimentelle Leinwandarbeiten mit reinen Farben und Schriftzeichen auf die Sehnsucht nach Leichtigkeit und Spontaneität. Gegenstände erscheinen im Bild, die Komposition bleibt dennoch abstrakt.

In dem Zeitraum Ende 60er bis Mitte 80er Jahre ist die Zeichnung ein Hauptmedium in Raums künstlerischem Schaffen. Sie ist autonomes Kunstwerk, Konzeptskizze und Gestaltungselement. Auch in den Papierarbeiten behält Raum den dynamischen Duktus seiner Malerei, verzichtet jedoch ganz auf die Farbe. Zielscheiben und Durchschüsse zeigen die fortwährende Bedrohung menschlicher Existenz. Häufig verwendete Motive wie verschlossene Türen, Fenster und Wände symbolisieren Bedrängnis und Enge, statt Schutz und Sicherheit, sie steigern den Eindruck des Unbehaglichen.[5]

In der Serie der ‘Wundbilder’ erfolgte 1983 die intensive malerische Auseinandersetzung mit den Kriegserlebnissen in der Darstellung von Verwundung und Tod. Bildmotive und Farbigkeit lassen verletzte Leiber, Blut und Sterben assoziieren. Als der Golfkrieg 1991 ausbrach, reagierte Raum mit der Bilderserie „Tage des Golf “. In der Werkgruppe „Die Ohnmacht des Malers“ 1991–92 befasste er sich mit der Nichtigkeit des Menschen.

Die Situation des Künstlers in der Abgeschiedenheit der Werkstatt thematisierte Raum in den ‘Atelierbildern’ 1985–1998. Malutensilien, persönliche Gegenstände und eigene Kleidungsstücke werden in die Großformate montiert – Walter Raum, der Künstler, ist gleich mit seinem Werk.

In nahezu allen Schaffensperioden verwendete Raum immer wieder skripturale Elemente. Ihre Funktion variiert: Schrift als Textfragment, Schrift als Kalligraphie unterstützt die Gestaltung. Direkten Einzug mit inhaltlichem Bezug findet Hölderlins Hyperion ins malerische Werk (Bildzyklus „Doch uns ist gegeben …“ 1998/99).[6]

Gleichermaßen wiederkehrendes Element seiner Bildsprache ist die Verwendung von collagierten Zeitungsausschnitten als Spur der Außenwelt und als Dokument zeitgeschichtlicher Ereignisse.

Im Spätwerk schöpft Raum aus der Gesamtheit persönlicher und künstlerischer Erfahrung: „Heute habe ich keine Vorbilder mehr. Mein Vorbild bin ich selbst.“

Walter Raum: Zu meiner Arbeit

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Anlässlich des 80. Geburtstages des Künstlers 2003 richtete die Städtische Galerie Rosenheim eine Retrospektive aus. In dem Buch zur Ausstellung äußerte sich Raum folgendermaßen:

„Sichtbarmachung existentieller Hintergründe ist das, worum es mir als Maler geht. Es sind meine ganz persönlichen Bedingtheiten im Leben, die in meiner Bildwelt zur Sprache kommen.

Eingeschlossen zwischen Geburt und Tod läuft unser Leben als eine Folge von Aktionen und schicksalhaften Ereignissen ab, auf die wir nur zum Teil Einfluss haben. Daraus resultieren 'Welt- und Lebenserfahrungen' und deren gedankliche Verarbeitung. Gefühle, Befindlichkeiten und Stimmungen bestimmen im Weiteren unser Sein. Dies sichtbar zu machen ist mein Bemühen. Die Malerei ist das Mittel dazu, die Bilder sind die Ergebnisse.

Sie entstehen aus teils bewussten und teils unbewussten Aktionen. Köpfe, Hände, Schriftzeichen und andere Symbole sowie Zeitungsausschnitte vom Tag der Bildentstehung und Bildelemente, von denen ich meine, dass sie meine Absicht sichtbar machen. Die genaue Bedeutung eines jeden Bildes, über das vordergründig Dargestellte hinaus, ist auch mir letztendlich nicht bewusst. Die Bilder entstehen intuitiv mit teils unbewusstem Hintergrund, entsprechend einer zum Zeitpunkt des Entstehens in mir vorhandenen Grundstimmung. Eindrücke von Sinn- und Hoffnungslosigkeit im Leben mögen diesen Hintergrund mitbestimmen. Vieles Andere wird wirksam sein. Genau analysieren kann und will ich das nicht.

Vielleicht sind meine Bilder auch nichts anderes, als ein Zeichen des 'Ich bin', als Behauptung im Leben. Daraus resultiert die Notwendigkeit, immer neue Bilder zu machen, die mein In-der-Welt-Sein und dessen Veränderungen zum Inhalt haben. Darin sehe ich meine Aufgabe als Maler.“

Werke in Museen und öffentlichen Sammlungen

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Werke im öffentlichen Raum

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  • Evangelisch-Lutherische Kreuzkirche Eschenbach, Glasfenstergestaltung, 1962
  • Technische Universität München – Institut für Maschinenwesen, Treppenhaus: Glasfenster zusammen mit Rupprecht Geiger, Fritz Harnest und Reinhard Omir, 1964
  • Erlöserkirche Bayreuth, Glasfenstergestaltung, 1966
  • Evangelisch-Lutherische Friedenskirche Dietfurt, Glasfenstergestaltung, 1969

Preise und Auszeichnungen

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Mitgliedschaften

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Einzelausstellungen (Auswahl)

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  • 1958 Pavillon Alter Botanischer Garten, München
  • 1959 Galerie Hella Nebelung, Düsseldorf
  • 1961 Zimmergalerie Franck, Frankfurt am Main
  • 1981 Kunstverein Nürnberg Albrecht Dürer Gesellschaft, Nürnberg
  • 1984 Galerie Bernd Dürr, München
  • 1986 Städtische Galerie, Rosenheim
  • 1986 Secession Galerie, München
  • 1988 Kunstverein Gauting
  • 1989 Verein für Originalradierung, München
  • 1994 Galerie Bernd Dürr, München (mit Jürgen von Hündeberg)
  • 1995 Neue Galerie Landshut
  • 1995 Kunstverein Augsburg
  • 1997 Kunsthaus Nürnberg
  • 1998 Kunstverein Rosenheim
  • 1999 Rathausgalerie, München
  • 2003 „Weg zu mir, Arbeiten 1958–2003“, Städtische Galerie Rosenheim[7]
  • 2005 Otto-Galerie, München[8]
  • 2009 Kunstverein Rosenheim
  • 2010 Pavillon Alter Botanischer Garten, München[9]
  • 2017 Galerie Bernd Dürr, München (mit Jürgen von Hündeberg)
  • 2017 Kunst und Kulturforum Pfarrkirchen
  • 2019 Katholische Akademie Bayern, München
  • 2020 Kunstmuseum Hersbruck
  • 2021 Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
  • 2022 Kunsthaus Marstall Berg[10]
  • 2022 Kulturzentrum Pullach

Gruppenausstellungen (Auswahl)

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Regelmäßige Beteiligung an den Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes und der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst, München.

Literatur (Auswahl)

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  • Lexika und Sammelwerke:
    • Raum, Walter. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL), Band 98, S. 1, De Gruyter Verlag, 2017, ISBN 978-3-11-023264-6
    • Oberste Baubehörde München: Bildwerk – Bauwerk – Kunstwerk. Bruckmann, München 1990, S. 160–161, ISBN 978-3-7654-2308-6
  • Eberhard Hanfstaengl: „L’art Contemporain Allemand“, Lyon 1958
  • Wolfgang Petzet: „Möglichkeiten und Grenzen des Informel“, Die Kunst 1959
  • Franz Roh: „Deutsche Malerei von 1900 – heute“ 2. Auflage, Bruckmann Verlag 1962
  • Franz Roh: „Zur gegenwärtigen Kunst in Deutschland“, Katalog Salon Comparaisons, Paris 1964
  • Gerhard Mammel: „Walter Raum als Zeichner“, Kat. Albrecht Dürer Ges. Nürnberg, 1981
  • Michael Langer: Walter Raum – Marion von Boetticher: Bilder 83/84. Einführender Text, Galerie Bernd Dürr, München 1984, ISBN 3-927872-22-9[5]
  • Cornelia Stabenow: „Malerei als Standhaftigkeit“, Die Kunst 9/1984
  • Doris Schmidt: „Malen ist kein Fest“. Zu den Bildern von Walter Raum, SZ, 18. Februar 1986, S. 11
  • Ludger Busch: „Das inszenierte Ich“. Die Bildwelt des Walter Raum, Kat. Städt. Gal. Rosenheim, 1986
  • Wolfgang Längsfeld: „Schwarze Bilder ohne Resignation“, Katalog „existentiell“, München 1994
  • Berghild Dürr: Avantgarde der 50er/60er Jahre. Jürgen von Hündeberg / Walter Raum. Einführender Text, Galerie Bernd Dürr, München 1994, ISBN 3-927872-13-X[11]
  • Andreas Kühne, „Bildobjekte-Objektbilder“, Katalog Kunsthaus Nürnberg 1997, ISBN 3-9804693-4-4
  • Wilhelm Warning: „Am Anfang war das Bild“, Katalog Ausstellung Kunstverein Rosenheim 1998, ISBN 3-9804693-4-4
  • Hannah Stegmayer: „Texte und skripturale Elemente im Werk Walter Raums“, Ausstellungskatalog Rathausgalerie München 1999, ISBN 3-00-004865-0
  • Walter Raum: „Weg zu mir. Arbeiten 1958–2003“, Künstlerbuch, Katalog Ausstellung Rosenheim, 2003, ISBN 3-9808555-8-9
  • Walter Frei (Hrsg.): „Malerisches Erbe zwischen Isar und Loisach“, Hirmer Verlag, München, 2018, ISBN 978-3-7774-3212-0
  • Tobias Raum, in: Wolfgang Borchert: Draussen vor der Tür – Walter Raum Wund-Bilder, Edwin Kunz Editionen 2018; ISBN 978-3-00-060527-7

Einzelnachweise

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  1. laut den Angaben in Simm, Franz (Herausgeber): Bildwerk - Bauwerk - Kunstwerk. Hrsg.: Bayerische oberste Baubehörde. Verlag Bruckmann, München 1990, ISBN 3-7654-2308-4, S. 321.
  2. Vgl. Anikó Szalay: Walter Raum in: Allgemeines Künstlerlexikon (AKL). Hrsg.: De Gruyter Verlag. Band 98, 2017, ISBN 978-3-11-023264-6, S. 1.
  3. Vgl. Wilhelm Warning: „Das Menschenbild in den Arbeiten Walter Raums, in Walter Raum: Weg zu mir. Arbeiten 1958-2003. Eurasburg 2003, ISBN 3-9808555-8-9, S. 62 ff.
  4. Vgl. Hannah Stegmayer: Walter Raum und sein künstlerischer Kontext, in Walter Raum: Weg zu mir. Arbeiten 1958-2003. Eurasburg 2003, ISBN 3-9808555-8-9, S. 17.
  5. a b Michael Langer: Walter Raum - Marion von Boetticher: Bilder 83/84, Einführender Text. Hrsg.: Galerie Bernd Dürr. München 1984, ISBN 3-927872-22-9 (galerie-bernd-duerr.de).
  6. Vgl. Andreas Kühne: Texte und skripturale Elemente als Bildgegenstände, in Walter Raum: Weg zu mir. Arbeiten 1958-2003. Eurasburg 2003, ISBN 3-9808555-8-9, S. 108 ff.
  7. Walter Raum - Weg zu mir, auf galerie.rosenheim.de, abgerufen am 17. Dezember 2018
  8. Otto-Galerie Ausstellungen, auf www.otto-galerie.de, abgerufen am 17. Dezember 2018
  9. Presseinformation VBK Ehrenausstellung Walter Raum 1923–2009, auf www.kunstpavillon.org, abgerufen am 17. Dezember 2018
  10. Ohnmacht und Kreativität. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 26. November 2022.
  11. Walter Raum, Avantgarde der 50er/60er Jahre